„Sei keine Wolke!“

Als ich ungefähr 18 oder 19 Jahre alt war, hatte ich ein Gespräch mit einer Person, die ich als meinen spirituellen Mentor bezeichnen würde. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich damals mit Sacinandana Swami durch einen Park in meiner Heimatstadt spazieren ging, ich mit meiner etwas gekrümmten Körperhaltung und dem fragenden Blick im Gesicht, er mit einem entspannten, sanftmütigen, aber dennoch völlig anwesenden Blick. Damals hatte ich große innere Konflikte. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich machen wollte. Sollte ich die Schule abschließen oder abbrechen?

Es war eine schwierige Zeit für mich. Vielleicht, so dachte ich, sollte ich sogar ins Kloster gehen. Die Idee kam mir tatsächlich, denn ich kannte einige, die diesen Weg in ein mönchsähnliches Leben für eine Weile wählten. Plötzlich blieben wir abrupt stehen. „Sei keine Wolke, Raoul.“

Das Problem mit Wolken, erklärte er, ist, dass sie sich auflösen. Sie treiben für eine Weile am Himmel, von einem Punkt zum nächsten, aber irgendwann verschwinden sie. Was er mir damit sagen wollte: Ich musste mich entscheiden. Ich durfte nicht zu lange in diesem Zustand der Unentschlossenheit verweilen, sonst würde ich mich in Orientierungslosigkeit verlieren.

Dieses Bild hat mich sehr geprägt, denn es beschreibt etwas, das ich auch heute noch in mir und anderen wahrnehme: die Gefahr, in einem Nicht-Zustand zu enden.

Dringlichkeit und Orientierung: Das Wozu

Vor einigen Jahren, während der Klimaproteste, sah ich ein Plakat, das eine junge Person in den Händen hielt. Darauf stand: „Wozu soll ich mein Abitur machen, wenn die Welt morgen untergeht?“

Ich konnte diese Haltung sofort nachvollziehen. Diese Frage – warum überhaupt etwas tun, wenn größere, dringendere Probleme bevorstehen – hat mich tief berührt. Und ich finde, genau solche Fragen sollten in der Begleitung und Beratung junger Menschen viel stärker berücksichtigt werden.

Das Warum und das Wozu. Warum mache ich das? Wozu dient es mir – und anderen? Wenn ich eine Ausbildung abschließe, wozu sollte ich sie überhaupt machen? Nur, um Geld zu verdienen? Und was ist, wenn die Welt wirklich untergeht? Neulich las ich, dass ein Verteidigungsminister davon sprach, es sei möglich, dass wir in fünf Jahren Ziel russischer Angriffe werden könnten. Die Gefahr eines dritten Weltkrieges, der laut manchen Experten schon im Gange ist, sei real.

Wozu eine Ausbildung abschließen, wenn ich in fünf Jahren vielleicht ohnehin eingezogen werde und die Raketen fliegen? Ich möchte nicht den Teufel an die Wand malen, aber das Plakat, das diese junge Person hochhielt, drückt für mich genau dieses Gefühl aus.

Das Wichtige tun

Ich hoffe, dass diese Person ihre Dringlichkeit bewahrt hat. Dass sie, auch wenn sie mittlerweile Geld verdienen muss, weiter von dem Gedanken geleitet wird, das wirklich Wichtige zu tun. Und dass sie erkennt, was das wirklich Wichtige ist. Nicht in Fatalismus verfallen, sondern sich ehrlich fragen:

Wozu das alles? Das Wozu blickt in die Zukunft. Es fragt, was wir damit bezwecken. Was wir damit erreichen wollen.

Ich glaube, diese Frage kann helfen, den Wolkenstatus zu verlassen und Klarheit zu gewinnen – selbst bei den alltäglichen Anforderungen des Lebens. Natürlich müssen wir Geld verdienen und unsere Wohnung bezahlen. Aber vor allem sollten wir uns fragen, womit wir unsere Arbeitszeit verbringen.

Es ist klar, dass wir nicht jeden Tag in einem Ausnahmezustand verharren können. Wahrscheinlich hat die Person, die dieses Plakat hielt, am Montag oder Dienstag darauf wieder ganz normal gearbeitet. Aber für einen Moment innezuhalten und die grundlegenden Fragen zu stellen, war richtig.

Die Wahrheit ist, dass wir eines Tages nicht mehr da sind – und keiner weiß, wann das sein wird. Gerade diese Unsicherheit kann ein starker Antrieb sein, das Wozu ins Zentrum zu rücken.

Das muss nicht lähmend sein. Im Gegenteil, es kann dem Leben eine tiefere Bedeutung geben. Wenn wir uns bewusst sind, dass alles, was wir tun, das Beste sein sollte – nicht nur für uns, sondern für die Gemeinschaft –, dann ist das eine starke Orientierung.

Wenn wir jeden Tag eine Handlung als Beitrag sehen, der über Abschlüsse und Qualifikationen hinausgeht, als etwas, das der Welt und den Menschen um uns herum wirklich nützt, dann sind wir keine Wolke mehr.