Ziele sind eine interessante Sache. Man stellt sie sich, man steckt sich Ziele ab, und dann erreicht man sie – und plötzlich steht man da und merkt, dass das, was man eigentlich damit bezwecken wollte, längst einem neuen Ziel gewichen ist. Selbstgesteckte Ziele sind oft nichts anderes als unbewusste, halbgare Kompromisse zwischen äußeren Anforderungen und einem inneren Gefühl, sich überhaupt etwas vornehmen zu müssen.
Wie oft habe ich mit jungen Menschen versucht, ihre Ziele in SMART-Form zu bringen – und schon beim Aufschreiben gemerkt, dass das Ganze irgendwie halbherzig mitgemacht wurde. Aber ich glaube nicht, dass das nur für Jugendliche gilt. Viele Erwachsene haben sich innerlich längst damit abgefunden – und rennen trotzdem euphorisch einem Ziel nach dem nächsten hinterher.
Das Ziel, glücklich zu sein, war für Viktor Frankl übrigens kein wirkliches Ziel. Wenn überhaupt, war es ein Nebenprodukt – etwas, das entsteht, wenn wir etwas tun, das sich für uns stimmig anfühlt und mit einem tieferen Gefühl von Sinn verbunden ist. Das Glück als Ziel zu betrachten, hielt Frankl für irreführend.
Sich Ziele zu setzen bedeutet immer auch, sich der Frage bewusst zu werden, wozu ein Ziel überhaupt gesetzt wird. Wozu dient mir dieses Ziel? Oder besser gesagt: Wozu dient die Erreichung dieses Ziels?
Was möchte ich dadurch wirklich erreichen – und warum?
Was hat mich dazu bewogen, mir gerade dieses Ziel zu setzen?
Waren es äußere Einflüsse – der Wunsch nach einem bestimmten Abschluss, einem fitteren Körper, einer besseren Position?
War das wirklich meine Motivation – oder wurde sie mir von außen zugewiesen?
Alan Watts beschreibt in einem seiner Aufsätze, dass das Leben oft wie eine endlose Abarbeitungsaufgabe behandelt wird. Schon in der Schule bekommen wir unerreichbare Ziele vor Augen gesetzt – das beste Glück, den besten Job, das erfolgreichste Leben. Und so laufen wir später weiter in diesem Hamsterrad: versuchen verzweifelt, Karriere zu machen, uns zu verwirklichen, ein möglichst harmonisches Leben zu führen – bis wir irgendwann alt sind, keine Energie mehr haben und feststellen, dass das Ganze ein einziger Beschiss war.
An diesem Punkt wird die Frage erneut wichtig, wozu wir das alles tun. Denn interessant ist nicht einfach nur, den kürzesten Weg von A nach B zu gehen – sondern das, was dazwischen passiert. Und wir können sicher sein: Wenn wir unser selbstgestecktes Ziel erreicht haben, kommen neue Fragen.
Vielleicht sogar die größte von allen – warum wir so viel Zeit darauf verwendet haben, genau diesen Punkt zu erreichen.
Darum: Behandle deine Ziele mit Respekt, aber überschätze sie nicht. Wichtiger ist deine innere Ausrichtung und die Frage, wozu du dich auf ein bestimmtes Ziel zubewegst – und was du tust, wenn du es nicht erreichst, aber trotzdem präsent warst und wirklich gelebt hast.