Eine Sache, die mich immer fasziniert hat, ist die Idee, dass erwachsene Menschen miteinander Spielchen spielen.
Wie jetzt? Was? Mit dir spielen, was fällt dir ein, mir das zu unterstellten? Hand hoch, wer dieses Gespräch schon mal geführt hat oder besser – versuchte es zu führen und sich dabei in Verteidigungsmanövern verlor, bestritt, beschwichtigte und dabei kläglich scheiterte.
Tatsächlich denke ich aber, dass an der Idee, dass Menschen miteinander Spielchen spielen, gar nicht so viel falsch ist.
Wenn wir uns eingestehen (würden), dass wir tatsächlich gelegentlich mit unseren Mitmenschen spielen, müss(t)en wir auch erkennen, wie sehr unser Handeln dann doch oft von verdeckten Motiven geprägt ist. Um es einfacher zu sagen: Wenn wir eigentlich etwas erreichen wollen und dafür unser gesamtes Repertoire an Werkzeugen – Sprache, Verhalten, Ausdruck – einsetzen, dann ist das im Grunde ein faules Spiel. Period.
In diesem Zusammenhang komme ich auf einen anderen Gedanken zurück, der etwas tiefer reicht.
Vor Kurzem habe ich einen Artikel über den polnischen Pädagogen Janusz Korczak gelesen. Korczak beschreibt an einer Stelle, wie Kinder zu Komplizen ihrer Eltern werden – oder genauer gesagt, wie eine Komplizenschaft zwischen beiden Parteien entsteht. Er meint damit, dass Kinder relativ früh durchschauen, dass auch mit den Erwachsenen gewisse Spielregeln existieren, die man einhalten muss, um etwas zu bekommen. Kinder verstehen, dass sie, wenn sie etwas haben möchten, sich entsprechend verhalten müssen – betteln, schreien oder geschickt bestimmte Regeln befolgen, etwa Dienste erledigen oder Leistungen erbringen, um eine Gegenleistung zu erhalten.
Das große Problem daran ist, dass Kinder in dieser Logik nicht mehr als eigenständige Wesen erkannt werden, sondern als eine Art Eigentum. Diese verdeckten Formen der Vereinnahmung sind oft subtil. Sie müssen nicht mit Gewalt durchgesetzt werden, sondern wirken durch geschickte Spiele, an deren Ende das Kind steht – dasjenige, das leisten muss.
Dieses Verhalten setzt sich, so glaube ich, auch im Erwachsenenleben fort. Es bildet vielleicht sogar eine Grundlage – eine internalisierte Strategie, die später weiter eingesetzt wird. Auch bei jungen Erwachsenen nehme ich diese Form der Komplizenschaft mit Älteren wahr. Und natürlich tragen auch jene, die in höheren Machtpositionen sind, Verantwortung dafür.
Befremdlich wird es, wenn jungen Menschen scheinbar Partizipation angeboten wird, die in Wahrheit keine ist. Etwa wenn Jugendliche in Vereinen auf Bildern gezeigt werden, wie sie eine Performance darbieten oder ein Musikstück aufführen. Dann heißt es: „Oh, hier, schaut her, sie stehen im Mittelpunkt!“ Doch tatsächlich sind sie von Erwachsenen sorgfältig positioniert – dort, wo es dem Image des Gesamtprojekts dient. Die Jugendlichen wiederum erleben darin vielleicht tatsächlich eine Form von Anerkennung und nehmen diese Rolle an, ohne zu erkennen, dass sie wie ein Feigenblatt benutzt werden. Und das geht immer so weiter.
Die Frage ist: Wollen wir sie weiterspielen? Oder wollen wir uns zumindest bewusst machen, welche Rollen wir gerade einnehmen?
Als junger Erwachsener könntest du in diese Muster geraten – vielleicht, weil du sie unbewusst übernommen hast. Dann wäre jetzt der Moment, dich wie ein Vogel über das Spielfeld zu erheben und zu fragen: Warum ist das so? Warum müssen wir diese Rollen einnehmen? Warum setzen wir diese Taktiken auch in Beziehungen fort?
In der Transaktionsanalyse von Eric Berne wird dieses Phänomen beschrieben – und mit einem klaren Fazit versehen: Wir sollten aufhören, uns wie kleine Kinder zu verhalten, die zu den Eltern sprechen, rebellisch oder unterwürfig.
Genauso sollten wir aufhören, uns gegenüber Jüngeren wie erhabene Eltern zu benehmen – maßregelnd, lobend, tadelnd. Berne kommt zu dem Schluss, dass echte Begegnung nur möglich ist, wenn wir uns als Erwachsene begegnen.
Das setzt voraus, dass wir anerkennen, dass wir einen Spielraum haben – und Verantwortung übernehmen.
Das Gegenteil der Komplizenschaft, wie Korczak sie beschreibt, wäre also echtes Vertrauen: einander etwas zutrauen, selbst wenn es uns stört. Vielleicht ist das sogar das Ziel.
Dann würden junge Erwachsene nicht länger Feigenblätter einer Pseudopartizipation sein, sondern Verantwortung übernehmen – und ihre eigene Sprache erheben, auch wenn diese unbequem sein könnte.